Dieser AMG GT ist ein Traumsportler zum Dienstwagenpreis
Perfekte Proportionen und ein bulliger V8. Neu hatte der AMG GT das Zeug zum Elfer-Jäger. Wie schlägt er sich ein paar Jahre später als junger Gebrauchter?
Woran erkennt man einen blutigen GT-Neuling? Er kommt nicht vom Fleck. So ergeht es auch uns. Eben noch wirft uns der freundliche Verkäufer von Nord-Ostsee-Automobile in Hamburg den Schlüssel rüber. Nach dem Druck auf den Startknopf erwacht der fette V8 sofort zum Leben. Und dann? Wo ist der Wählhebel? Weit hinten und außerhalb des Blickfeldes finden wir ihn endlich und rollen vom Hof. Fast sechs Jahre ist es schon her, dass AMG seinen ersten echten und bezahlbaren Sportwagen präsentierte. Echt, weil der GT kein gepimptes Mercedes-Großserienmodell, sondern eine komplette Eigenkonstruktion der Affalterbacher ist. Und bezahlbar; ja, der Einstieg fiel mit 115.000 Euro immer noch heftig aus – aber zumindest lange nicht so abgehoben wie im Falle des ersten echten AMG, des SLS.
Mercedes-Benz AMG GT 43 Carbon Dynamic Plus Rid, Benzin
5.513 km
270 kW (367 PS)
04/2019
Benzin, 9.4 l/100km (komb.) CO2 215 g/km*
87.730 €
Mercedes-Benz AMG GT 43 °, Benzin
27.690 km
270 kW (367 PS)
07/2019
Benzin, 9.1 l/100km (komb.) CO2 209 g/km*
Auch nach knapp 67.000 Kilometern läuft der Motor noch perfekt
Der M178 ist mit seinen vier obenliegenden Nockenwellen ein Traummotor. Die Leistungsentfaltung ist trotz Biturbo homogen.
Grundsätzlich tritt die intern C190 genannte Baureihe deutlich braver auf als der imposante Vorgänger mit seinen Flügeltüren. Doch auch er hält sich an die Rezeptur eines echten GT: ultralange Haube, kleine Kanzel und kurzes Heck. Für den richtigen Auftritt gibt's grundsätzlich Mischbereifung mit 255er-Schlappen vorn und wuchtigen 295er-Walzen an der Hinterachse. Der große, ovale Kühlergrill mit dem zentralen Stern weckt Assoziationen an den alten 300 SL von 1954, das Heck fällt puristisch aus. Der Spoiler fährt erst raus, wenn Abtrieb benötigt wird. Das kann allerdings schnell passieren. Schon der von uns getestete Basis-GT steht mit 462 PS aus dem intern M178 genannten Biturbo-V8 gut im Futter. Montiert wurde er wie bei AMG üblich im "Ein Mann, ein Motor"-Verfahren. Ein Monteur steckt die Maschine komplett zusammen und unterschreibt dafür auf dem Motor. An dieser Stelle gleich ein Lob an Lukas Kirchner: "Gute Arbeit, das Ding läuft auch nach knapp 67.000 Kilometern noch perfekt!" Schon bei 1600 Touren stehen üppige 600 Newtonmeter bereit, mit Launch Control stürmt der GT in vier Sekunden auf 100, erst jenseits der 300 siegen die natürlichen Fahrwiderstände. Sanft bis energisch bollernd drückt der als Front-Mittelmotor angeordnete Achtender seine Besatzung mit Macht voran. Aufmerksam und deutlich aufgeweckter als im Vorgänger sorgt das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe für passende Anschlüsse. Bei einigen Fahrzeugen kam es allerdings zu besonders harten oder verzögerten Gangwechseln. Mit etwas Glück hilft hier schon ein einfaches Software-Update. Nicht abstellbar ist dagegen die schon ohne geöffnete Klappen ziemlich dominante Abgasanlage, damals ein Extra. Einigen wirkt der GT in heutigen Zeiten schon etwas zu präsent und pubertär. Zumal der Sound unüberhörbar nur von hinten kommt. Der M178 selbst summt ganz leise und unschuldig vor sich hin, etwas getrübt vom Getacker der Direkteinspritzung.
Zahllose Klappergeister und Knartschherde sorgen für Verdruss
Innenraum mit breiter Mittelkonsole im typischen AMG-Look. Die Verarbeitung dürfte im Detail hochwertiger sein.
Im Innenraum bekommt man davon nichts mit. Aus kleinen Schießscharten, knapp über dem Asphalt, peilt der Fahrer über die lange Haube. Der riesige Mitteltunnel, der mit seiner Schalteranordnung an den V8 erinnern soll, hält den gebotenen Abstand zum Copiloten. Die Verarbeitung hält Abstand zur Spitze. "Das Beste oder nichts" – wer den zahllosen Klappergeistern und Knartschherden lauscht, fragt sich, ob Mercedes das mit dem Slogan wirklich ernst meinte. Auch viele Schalter aus der C-Klasse und das Mercedes-Einheits-Navi wirken nicht gerade euphoriefördernd. Ein Gefühl, das ambitionierten Fahrern auch auf der Rennstrecke droht. Gegenüber seinem Hauptkonkurrenten, dem 911, verspielt der GT in jeder Disziplin wertvolle Sekunden. Er kommt nie an die ausgefeilte Präzision des Zuffehauseners heran. Der nervösen Lenkung fehlt am Limit der letzte Schliff, das Getriebe verpasst seinen Einsatz oder die Fuhre untersteuert in der Kurve einfach sanft über die Vorderräder. Ein Grund für den gebremsten Sportsgeist ist der Hang zur Pummeligkeit: mindestens 1600 Kilogramm Leergewicht. Das ist zwar weniger als beim Vorgänger SLS, aber immer noch zu viel.
Technische Daten*
Motorbauart
V8-Biturbo
Einbaulage
vorn längs
Hubraum
3982 cm3
kW (PS) bei 1/min
340 (462) / 6000
Nm bei 1/min
600 / 1600-5000
Getriebe
7-G.-Doppelkupplung
Antriebsart
Hinterrad
Maße L / B / H in mm
4546 / 1939/ 1288
Leergewicht
1615 kg
0-100 km/h
4,0 s
Höchstgeschwindigk.
304 km/h
Neupreis
115.430 Euro (2015)
*Herstellerangaben
Der GT wird immer einen soliden Restwert behalten
68.890 Euro soll unser Modell von 2015 kosten – inklusive vollem Scheckheft und zwei Jahren Gebrauchtwagengarantie.
So bleibt der GT seinem Namen treu und verkörpert den idealen Gran Turismo. Für die genussvolle schnelle Reise reicht schon der "Kleine" locker aus. Wer noch ein paar Tausender übrig hat, findet im 510 und später 522 PS starken GTS die goldene Mitte, während GTC und GTR preislich in einer eigenen Liga spielen. Gegenüber deren satt sechsstelligen Kursen ist ein früher GT fast ein Schnäppchen. 68.890 Euro soll unser 2015er-Fotowagen bringen. Mit vollem Scheckheft und zwei Jahren Gebrauchtwagengarantie. Dafür gibt es überlegene Fahrleistungen und den ganz großen Auftritt – und einen deutlich gebremsten weiteren Wertverlust. Gegenüber einer C- oder E-Klasse aus Affalterbach wird der GT wie alle echten Sportwagen immer einen soliden Restwert behalten. Dass er jemals unter die 30.000-Euro-Marke rutschen könnte, ist unwahrscheinlich. Da lässt es sich doch gut verschmerzen, dass er nicht mehr taufrisch wirkt. 2017 gab es eine umfangreiche Modellpflege, erkennbar an der geänderten Frontpartie und den Luftauslässen am Heck.
Die Keramikbremsen können zur Kostenfalle werden
Unangenehmer ist da schon der Unterhalt, der sich ebenfalls von der wertstabilen Seite zeigt. Wie bei den meisten hochkarätigen Sportwagen sind die Aufwendungen für Versicherung, Service und Reparaturen heftig. Der bei zügiger Weise flotte Verschleiß macht die Sache nicht günstiger. Die Bremsen sind oft schon nach weniger als 20.000 Kilometern runter, die teuren Reifen halten auch nicht länger. Zur gemeinen Kostenfalle können die obligatorischen Keramikbremsen werden. Zwar gelten sie grundsätzlich als sehr standfest, doch schon ein Kiesel zwischen Scheibe und Belag kann teure Schäden verursachen. Der komplette Tausch verschlingt schnell 20.000 Euro und mehr und sorgt beim Besitzer für die entsprechende Erdung. Manchmal soll es einfach ein Traum bleiben. Die P-Taste der Automatik finden wir schneller und steigen wieder aus. Fazit von Malte Büttner: Der AMG GT ist ein Sportwagen wie aus einem Guss, der V8 macht süchtig. An ein paar Unzulänglichkeiten sollten sich Interessenten nicht stören. Die fairen Gebrauchtpreise ändern nichts an den hohen Folgekosten. Urteil: 3,5 von fünf Punkten.
Kosten
Inspektion
500-800 Euro
Haftpfl icht (13)*
644 Euro
Teilkasko (31)*
1615 Euro
Vollkasko (30)*
2617 Euro
Kfz-Steuer
322 Euro
Ersatzteilpreise **
Lichtmaschine
1607 Euro
Anlasser
1188 Euro
Wasserpumpe
310 Euro
Abgasanlage
2832 Euro
Bremsbeläge und -scheiben vorn
2006 Euro
*Onlinetarif der HDI-Versicherung: Zulassung in Hamburg, Fahrer nur Versicherungsnehmer und Partner (25 Jahre alt), jährliche Fahrleistung 15.000 km, Schadenfreiheitsklasse 1; **Preise inklusive 19 Prozent Umsatzsteuer für Originalteile, ohne Arbeitslohn
*Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).
No comments:
Post a Comment